"Wieso Möglichkeit?"
... will die Tochter wissen. (Fortsetzung von hier.)
"Oh, eine gefährliche Frage", sagt der Vater.
Die Tochter wundert sich: "Häh, wieso gefährlich?"
"Naja, eigentlich wollte ich 'gute Frage' sagen, doch das wäre eine Bewertung und jede Bewertung - egal, ob gut oder schlecht - killt Möglichkeit. Deine Frage ist gefährlich, weil sie unsere Geschichten, die uns nur eingeschränkte Möglichkeiten vorgaukeln, in Frage stellt. Und das ist für unsere Überlebensmechanismen (du weißt ja schon, ich nenn die einfach 'Box') quasi 'tödlich' - fühlt sich wie Sterben an, weswegen der Gremlin alles probiert, um das zu vermeiden."
Die Mutter schaltet sich ein: "Box, Gremlin, inzwischen weiß ich ja, was das ist, aber unsere Tochter hat zumindest noch nicht vom Gremlin gehört, oder?"
"Doch, doch, das ist sowas wie Rumpelstilzchen, stiehlt einem das Wichtigste im Leben, wenn du den Namen nicht kennst. Meiner heißt Fluffi, der kommt echt gern süß daher, aber kann ganz schön viel zerstören."
Der Vater freut sich und ergänzt: "Ja, genau, also eigentlich ist der Gremlin erst einmal der aktive Teil der Box, der dafür sorgt, dass diese solche unangenehmen Situationen wie 'nicht Recht haben' vermeiden kann. Mit Recht-Haben gibt es schnell Box-Kriege, die von den Gremlins ausgefochten werden. Leider ist der Gremlin sehr, sehr schlau - lernt alles, was wir selber lernen und ist als Herrscher unseres Unbewussten nicht nur eine ganze Million mal schneller als unsere bewussten Gedanken, sondern hat zusätzlich ein Vielfaches an Nervenzellen zur Verfügung."
"Das sind doch nicht so wichtige Details", unterbricht die Mutter den Vater ungeduldig. "Wir wollten über Möglichkeit sprechen."
"Ja, du hast recht. Aua, Box-Tod. Ah, da ist sie wieder wie Phönix aus der Asche - war gar nicht so schlimm. Uns stehen in jedem Augenblick unendlich viele Möglichkeiten zur Verfügung, doch die Box filtert fast alle weg, bis nur einige wenige noch sichtbar sind für uns."
"Unendlich viel ist ja wohl übertrieben", meint die Tochter. "Klingt so nach Star Trek, unendliche Weiten und so."
"Ich kann's beweisen", behauptet der Vater. "Stell dir vor, du hättest nur endlich viele Möglichkeiten."
"Okay", sagt die Tochter zögerlich. "Und dann...?"
"Hast du sie dir gut vorgestellt?" Der Vater wartet auf das Nicken seiner Tochter und fragt dann: "War auch die dabei, dass ich jetzt diese Wasserkanne über deinem Kopf ausschütten könnte?"
"Was, du spinnst doch, das ist nicht fair, natürlich nicht, das hat ja wohl gar nichts mehr mit Liebe oder Klarheit zu tun und würde zudem unsere Tischdecke ruinieren, wenn nicht gar das Parkett."
"Möglichkeiten sind erst einmal neutral, und natürlich hat mein Gremlin Spaß, sich solche Späße auszudenken, auch wenn es für andere nicht schön ist. Doch ich kann ihn auch für richtig coole, kreative Möglichkeiten nutzen. Hast du zum Beispiel an die Möglichkeit gedacht, dass ich jetzt mit dir Walzer probieren könnte? Oder dass du ganz ohne Grund Wutkraft aktivieren und lauthals rufen könntest 'ich liebe das Leben!'?"
"Okay, okay, aber das sind doch nur endlich viele Beispiele und beweist gar nichts."
"Du hast recht. Aua, schon wieder. Dann frage ich mal so: Welche Geschichte gibt dir mehr Kraft: Dass es nur begrenzt Möglichkeiten gibt, oder dass es unendlich viele gibt und etwas anderes, als was gerade ist, jederzeit möglich ist?"
"Jetzt bringst du meine Box zum Sterben. Du hast recht, die unendlichen Möglichkeiten sind cool. Vielleicht nicht für die Box, aber definitiv für Herz und Sein und für meine Lebensfreude."